Daniela Evers, Bündnis 90/Die Grünen
Daniela Evers
GRÜNE
Freiburg I [46]

Was werden Sie tun, um für die Einhaltung des 1,5°C-Ziels einzutreten?

Bisher habe ich vor Ort im Gemeinderat und als Mitglied versucht, konkrete Ziele wie zB den Rückkauf des Stromnetzes oder das Nahwärmenetz in Titisee-Neustadt durchzusetzen. Jetzt versuche ich durch meine Landtagskandidatur und mein Engagement vor Ort und als Kreisvorsitzende gemeinsam mit vielen MitstreiterInnen im ganzen Land ein starkes Ergebnis für Klimaschutz und Ökologie zu erreichen, damit wir im wichtigen Wahljahr 2021 auf Landes und Bundesebene politische Bündnisse schmieden können, die stringente Klimaschutzpolitik ohne Bremsschuh durchsetzen werden. Das halte ich für sehr wichtig, hier dürfen wir uns nicht auseinanderdividieren lassen. Ohne stabile Mehrheiten für Klimaschutz verlieren wir Zeit, die wir nicht haben.

Als Grüne insgesamt haben wir mit der Neuauflage des Grundsatzprogramms und dem Landtagswahlprogramm ein klares Bekenntnis zu Klimaschutz und Einhaltung des 1,5 Grad Ziels abgegeben. Dies umfasst ein klares Klimaschutzsofortprogramm mit vielfältigen Maßnahmen ( Ausbau Windenergie, Solarpflicht, FreiflächenPV, CO2 Schattenpreis von 180 EUR für öffentliche Haushalte, klimaneutrale Wohngebiete etc.) Hinzu kommt Fortführung der ökologischen Mobilitätswende, Ausbau ÖPNV, E-Ladestruktur, Radschnellwege, etc. Weiter fördern wir die Agrarwende und die Förderung der Wälder . Wir haben ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft, Abwärmenutzung , aber auch Ziele wie klimafreundiche Finanzanlagestrategien als hochwirksame mittelbare Lenkungsmittel im Programm.

Was bedeutet ein Nicht-Erreichen des 1,5°C-Ziels für Freiburger*innen und Baden-Württemberger*innen konkret?

Wir alle wissen aus den vorliegenden Studien um die Dramatik der Situation. Die Zielmarken bezeichnen ökologische Kipppunkte, die eine nicht reversible Veränderung unserer Lebensbedingungen mit sich selbst verstärkenden Entwicklungen nach sich zieht. Schier unerträgliche Hitzebelastung in der Stadt, Sturmkalamitäten und Schäden im Wald, Veränderungen in der Landwirtschaft sind Folgen, die sich heute bereits ankündigen. Neben den unmittelbar bei uns spürbaren Naturfolgen mit zunehmenden Wetterextremen, Dürreperioden, Wassermangel, Artensterben sind auch die mittelbaren sozialen Folgen durch die globale Entwicklung mit zu bedenken. Durch die Anstiege der Meeresspiegel und die Verwüstung zahlloser Gebiete werden ganze Regionen unbewohnbar. Die Menschheit muss also jetzt reagieren, um für alle eine lebbare Zukunft zu erhalten.

Verteilt man das weltweit verbleibende CO₂-Budget gleichmäßig, hat Deutschland voraussichtlich 2024 sein gesamtes CO₂-Budget für das 1,5°C- Ziel aufgebraucht. 
Hat das für Sie und Ihre Partei eine Konsequenz und wenn ja welche?

Nach dem Konzept des CO2-Budgets hat Baden-Württemberg noch 610 Millionen Tonnen CO2 zur Verfügung. Bei gleichbleibendem Ausstoß wäre dieses Budget schon 2024 aufgebraucht. Dies ist eine aktuelle Bestandsaufnahme, denn mit jedem neuen Bericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) muss das verbleibende Carbon-Budget angepasst werden.

Das Landtagswahlprogramm setzt das klare Ziel, Klimaschutzpolitik an dem Konzept des CO2-Budgets auszurichten. Damit wären wir das erste Bundesland, das den CO2- Budget-Ansatz anwendet. Wir werden Vorschläge erarbeiten, wie der Budget-Ansatz umgesetzt werden kann. Ein wichtiges Instrument ist hierfür ein unabhängiger „Rat der Klimaweisen“. Dieses wissenschaftliche Beratungsgremium soll jährlich die Maßnahmen der Landesregierung überprüfen, darüber berichten und Maßnahmen vorschlagen, wie das 1,5 Grad-Ziel bzw. der CO2-Ansatz umgesetzt werden kann. Das bringt wissenschaftliche Fachlichkeit und klare Zielstrategien.

Welche Ideen und Visionen verfolgen Sie und Ihre Partei für ein grundsätzliches Umlenken in unserer Gesellschaft und Wirtschaft?

Meine persönliche Vision und Hoffnung ist, dass wir endlich als Gesamtgesellschaft den Klimawandel als vorherrschende Veränderung und Bedrohung erkennen, akzeptieren, anerkennen, dass die Dramatik und die Geschwindigkeit nicht schicksalhaft und überraschend, sondern menschengemacht ist. Das halte ich für die Grundvoraussetzung, damit die gesellschaftlichen Prioritäten sich daran orientieren. Was für Grüne und Klimaaktivist*innen selbstverständlich ist, erleben wir in vielen Diskussionen auf der Straße oder in politischen Auseinandersetzungen jedoch immer noch als ignorierte, verdrängte oder geleugnete Themen. Das muss sich ändern – jetzt und umfassend.

Für Grüne ist Klimaschutz seit dem Bestehen der Partei immer im Kern des politischen Handelns und bundesweit, wie auch in Baden-Württemberg haben wir bereits vieles erreicht.

Unser klares Ziel: Wir wollen Baden-Württemberg schnellstmöglich klimaneutral machen. Die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist Grundlage und Rahmen unserer Politik. Als erstes Bundesland haben wir bereits 2013 ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht. Ein Gesetz, mit dem wir Ziele definiert und Maßnahmen auf den Weg gebracht haben. Das gesteckte Ziel, bis 2020 die CO2-Emissionen um 25 % zu senken (auf Basis von 1990) haben wir fast erreicht. Hierfür haben wir den Ausbau den erneuerbaren Energien mit Wind, Wasser und Sonne verdoppelt und mehr Tempo in die erneuerbare Wärmewende, die energetische Gebäudesanierung und die nachhaltige Mobilitätswende gebracht. Aber klar ist: Das reicht nicht aus.

Darum haben wir auf allen politischen Ebenen in unseren Programen den Klimaschutz an vorderster Stelle gestellt und im Landtagswahlprogramm, wie oben gezeigt, zahlreiche Maßnahmen konkret verankert:
Im Einzelnen:

Wir werden die Klimaziele Baden-Württembergs sowohl im Klimaschutzgesetz als auch im Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) an die Pariser Klimaziele und die neuen Klimaziele der EU anpassen. Und wir schlagen ein umfassendes Klimaschutzsofortprogramm vor, um mehr Tempo in den Klimaschutz zu bringen.

Dieses Sofortprogramm beinhaltet u.a. folgende Maßnahmen:

Ausbau Erneuerbare Energien:

  • Ausweitung PV-Pflicht auf Wohngebäude, auch auf Bestandsgebäude, sofern eine Dachsanierung vorgenommen wird. Überall wo es die Dächer ermöglichen, müssen wir diese für die Gewinnung von Sonnenenergie nutzen. Bislang gilt die PV-Pflicht nur für gewerbliche Gebäude.
  • Ausbau Windkraft auf landeseigenen Flächen. So könnten mindestens 1.000 neue Anlagen entstehen.
  • Wir wollen einen Kohleausstieg bis 2030 und werden uns dafür beim Bund einsetzen.
  • CO2-Preis:
  • Für die baden-württembergische Landesverwaltung führen wir einen CO2-Schattenpreis von 180 Euro ein. Das ist der Preis der notwendig wäre, um eine ökologische Lenkungswirkung zu erreichen. Wir werden uns auch weiterhin auf Bundeseben dafür einsetzen, dass der CO2-Preis die notwendige Höhe hat (180 Euro), um tatsächlich eine ökologische Lenkungswirkung zu erreichen.

Wärmewende:

  • Wir wollen die kommunalen Wärmepläne schnell umsetzen und so die CO2-Emissionen der Wärmenetze reduzieren. In Freiburg setzen wir uns übrigens als Grüne seit Jahren auf kommunalpolitischer Ebene für eine nachhaltige Wärmewende aus Fernwärme, Geothermie und Blockheizkraftwerken ein. Den neuen Stadtteil Dietenbach wollen wir Grüne zu einem Klima-Plus-Stadtteil machen, wozu auch eine nachhaltige Wärme dazugehört. Als Landesgrüne wollen wir die Kommunen durch gezielte Förderungen unterstützen, solche klimaneutralen Quartiere zu entwickeln.

Klimaneutrale Landesverwaltung:

  • Wir wollen die Landesverwaltung bis 2035 klimaneutral machen. Dazu gehört u.a., dass wir den Fuhrpark des Landes auf emissionsfreie Antriebe umstellen und die Finanzanlagestrategie des Landes bis 2022 an das 1,5-Grad-Ziel und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen angepasst wird. Das bedeutet: Wir ziehen Gelder des Landes aus Anlagen ab, die diesen Kriterien nicht entsprechen.

Klimafreundliche Mobilitätswende:

  • Wir wollen alle Orte im Land von 5 Uhr bis 24 Uhr an den ÖPNV anbinden- auch mit Hilfe von Ruf-Bussen.
  • Mit einem Mobilitätspass (Nahverkehrsabgabe) werden wir die ÖPNV-Finanzierung verbessern, um Taktung und Ausbau voranzubringen.
  • Auf das Fahrrad kommt es an. Deshalb schließen wir die bestehenden Lücken zwischen den Radwegen, Radschnellwegen und den Fahrradstraßen im Land und schaffen ein attraktives Netz für alternative Mobilität. Für unsere Region stellen die regionalen Radschnellwege eine
  • Denn: Das Fahrrad ist eine echte Alternative zum Auto- insbesondere in den Städten. Die Mobilitätswende braucht aber auch weniger und andere Autos.
  • Deswegen wollen wir das Schnellladesäulen-Netz weiter ausbauen, so dass innerhalb von 5 km eine Schnelladesäule finden. Auch die Wasserstofftankstellen für den Lkw-Verkehr werden wir verdoppeln.
  • Wir wollen Wohlstand vom Ressourcenverbrauch entkoppeln. Unser Ziel ist eine echte Kreislaufwirtschaft: Rohstoffe wiederverwenden, statt die Erde auszubeuten.

Wie werden Sie Bürger*innen in die Gestaltung dieses tiefgreifenden Übergangs einbinden?

Bürgerbeteiligung ist zentral, um gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen und eine entschlossene und gemeinsame Haltung für die notwendigen Maßnahmen gegen den Klimawandel aufzubauen.

Wir Grüne stehen schon heute klar für eine Politik des Gehörtwerdens und der Transparenz. Diese Politik hat die grün-geführte Landesregierung erfolgreich mit Leben gefüllt: Mit dem Amt der Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung wurde beispielsweise eine in Deutschland einmalige Stelle geschaffen. Baden-Württemberg ist bundesweite Spitze in Sachen Bürgerbeteiligung und hat bei der direkten Demokratie sehr stark aufgeholt. Auch die Kinder- und Jugendbeteiligung haben wir in der GemO Reform gestärkt und ausgebaut.

Unsere Bürger*innen haben schon jetzt vielfältige Möglichkeiten, ihre Meinungen zu äußern. Auf unserem Online-Beteiligungsportal können sie zu Gesetzesvorhaben Stellung nehmen und ihre Interessen deutlich machen. Wir haben die gesetzlichen Grundlagen für Volksabstimmungen verbessert und die informelle Bürgerbeteiligung bei der Planung von Infrastrukturprojekten eingeführt. Die Bürger*innen können nun in den Städten und Gemeinden auch über die Bauleitplanung abstimmen – und damit über das wichtigste Planungswerkzeug der städtebaulichen Entwicklung einer Kommune. In zahlreichen Projekten haben wir Bürgerbeteiligungen umgesetzt – und damit beispielsweise Konflikte bei der Planung des Nationalparks Schwarzwald.

In dem Biodiversitätsgesetz haben wir bundesweit beispielhaft gezeigt, wie verschiedene Interessen in einem Gesetz durch ein umfassendes Beteiligungsverfahren berücksichtig werden können. Hier haben wir es geschafft zwischen Naturschützer*innen und Landwirt*innen eine gemeinsame Regelung für mehr Artenschutz in Baden-Württemberg zu erreichen.

Wir werden unseren Weg der Politik des Gehörtwerdens beherzt weitergehen. Wir wollen die Bürgerbeteiligung auf Landesebene und vor Ort in den Kommunen weiter stärken und den Bürger*innen näherbringen. Dazu gehört auch die Einführung von direktdemokratischen Elementen auf Landkreisebene. Wir wollen zukünftig bei wichtigen Gesetzen und politischen Vorhaben Bürger*innenräte aus zufällig ausgewählten Bürger*innen beteiligen. Das bringt die ganze Bandbreite unterschiedlicher Lebenserfahrungen -und situationen ein.

Um die Ideen, Anliegen und Sorgen der Bürger*innen noch besser einbeziehen zu können, wollen wir zu Beginn der kommenden Legislaturperiode ein landesweites Bürger*innenbeteiligungsverfahren durchführen. Dabei wollen wir mit den Bürger*innen über ihre Vision für Baden-Württemberg 2030 ins Gespräch kommen. Wir wollen darüber diskutieren, wie wir gemeinsam die großen Herausforderungen der Zeit gestalten – vom Klimawandel über die Digitalisierung bis hin zum wirtschaftlichen Strukturwandel.

Neben der Bürger*innenbeteiligung ist aber meines Erachtens auch eine klare Strategie notwendig, die notwendige Umstrukturierung sozial und sinnvoll auszugestalten. Klimaschutz ist ein gesamtgesellschaftliches Thema, das wir nur mit Zusammenhalt und Chancengerechtigkeit für alle umsetzen können. Das bedeutet insbesondere auch, dass Lasten von den Verursachern getragen und zusätzliche Aufwände gut verteilt und entsprechend entlohnt werden müssen.

Wir setzen uns ein für bezahlbaren geförderten ökologischen Wohnraum, attraktiven über eine Nahverkehrsabgabe mitfinanzierten ÖPNV und genossenschaftliche Beteiligungsmodelle bei Energie- und Stromproduktion. Zudem setzen wir uns ein, dass Landwirt*innen als Partner*innen bei ökologischer Agrarwende und Waldumbau für ihre gesamtgesellschaftlichen Leistungen adäquat bezahlt werden.

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